Rückblick
Seveso, Waldsterben, Tschernobyl und Verseuchung des Rheins: Die 1980er Jahre waren geprägt von großen Umweltdebatten. 1987 wurde Klaus Töpfer dadurch erster Umweltminister. Und die Grünen erreichten mit dem Slogan „Farbe bekennen“ bei der Bundestagswahl 8,3 Prozent – trotz oder gerade wegen der konservativen Diffamierung als „ökologische Ayatollahs“. Als im weitesten Sinne Umweltpartei, die mit Anti-Atom, Anti-Industrie und Anti-Fortschritts-Beschlüssen und einer „Raus-aus- und Weg-mit-Programmatik“ die Grundwerte der Bonner Republik wie Wachstum, Marktwirtschaft und NATO in Frage stellte.
Gegen Ende dieses Jahrzehntes kam zusätzlich das Thema CO2-freie Energieerzeugung auf die Agenda. Denn die Erkenntnisse der Klimaforscher waren inzwischen so validiert, dass sie nicht länger ignoriert werden konnten. Wir hatten erkannt, dass Alternativen zu Kohle, zu Gas und zu Öl dringend gefunden werden mussten. Aber wir fanden noch nicht die richtigen Worte, dies auch auszudrücken und die Mitte der Gesellschaft für uns zu gewinnen! „Alternative Energien“… Das klang weder nach Hightech noch nach Fortschritt, sondern nach Müsli, Wollsocke und Birkenstock-Sandale. Nicht anschlussfähig für den bürgerlichen Mainstream, nur für Naturfreaks wie mich und linke Hippie-Aussteiger.
In den 1990er Jahren dann endlich frischer Wind für die Erneuerbaren! Junge, aktivistische Unternehmer wie die Ingenieure im Kollektiv „Wuseltronik“, bei „Wind und Solar Elektronik" sowie beherzte Politiker nahmen sich der Wind- und Solarenergie an. Auch wenn die Lokalisierung im „links-alternativen“ Milieu weiter ausgeprägt blieb.
Mit unserem IPO der SOLON AG dann 1998 der erste echte Durchbruch – weit vor dem Hype des Neuen Marktes! Mit einem Mal war der bis dahin nahezu vollständig abgeschottete Energie-Monopolmarkt zugänglich für Finanzinvestoren!
Dann die Bundestagswahl 1998 und der rot-grüne Wahlsieg. Neben Arbeitslosigkeit und Wirtschaft stand im Wahlkampf vor allem ein Thema im Mittelpunkt: Der Ausstieg aus der Atomkraft. Wodurch in den Leitmedien erstmals ein Thema besondere Aufmerksamkeit erfuhr: Erneuerbare Energien aus Wind und Solar.
Wie wir setzten die Finanzinvestoren darauf, dass der Strom aus dem eigenen Solarmodul schon bald dem Tarifpreis der Energieversorger entsprechen werde („grid parity“). Und obwohl der große Unterschied in den Erzeugungskosten fortbestand und die Erneuerbaren teuer blieben, bestanden die Grünen auf der Machbarkeit der Energiewende. Mit dem Narrativ, das bis heute fortbesteht: „efficiency first“. Heißt: Zuerst alles zu tun, um den Energieverbrauch zu reduzieren – um dann mithilfe von Wind und Sonne den Restbedarf zu decken.
Anfang der 2000er Jahre entstand dann mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auch für die Photovoltaik ein stark wachsender Nischenmarkt. Mit jeder größeren Fabrik sanken die Kosten. Und weil der Anteil der Erneuerbaren so rasch stieg, sogar schneller als erwartet, begannen wir um Unterstützung für Integrationstechnologien zu werben, die zur Glättung der Erzeugungsprofile der Erneuerbaren benötigt werden. Jedoch: Auf ein Echo stießen wir nicht!
Die deutsche Politik nahm die Technologie nicht ernst, setzte stattdessen weiter auf billiges Gas aus Russland und „saubere Kohlekraftwerke”, die ein Exportschlager werden sollten. Demgegenüber hatte China längst den Plan geschmiedet als Weltmarktführer bei den Erneuerbaren die USA als Energieplayer zu überrunden. Und was taten wir? Wir spalteten uns in Lager: In die alte und die neue Energieindustrie, in David gegen Goliath.
Die Grünen nutzten die stark fallenden Kosten für ein neues Narrativ, das an die Seite von „efficiency first“ trat: „all electric“. Möglichst alles sollte mit billigen grünen Elektronen angetrieben werden: von Autos bis Heizungen – bis auf ein paar industrielle Prozesse wirklich alles. Die technologische Machbarkeit spielte dabei keine Rolle – alles lag ja noch so weit voraus in der Zukunft…
Der neue Schlachtruf lautete „all electric – efficiency first“, als wir mit der Younicos AG den Prototyp entwickelten, der 2008 in Berlin zur Inbetriebnahme des ersten Batteriewerks zur Erbringung von Netzregelung führte. Und trotzdem wurden in Deutschland Integrationstechnologien noch immer nicht als systemisch notwendig erkannt, noch immer nicht gefördert – ja: noch immer nicht gewollt. Und noch immer wurden die Macher von der überwiegenden Mehrheit des politischen Systems als „Spinner“ und „Subventionsblutsauger“ wahrgenommen.
Mit der Lehman-Krise, die dem Erneuerbaren Sektor besonders zugesetzt hat, begann schließlich der Überlebenskampf der Solarbranche. Chinesische Hersteller dumpten sich nach vorne, wurden Weltmarktführer, übernahmen die gesamte Solarindustrie. Deutschland reagierte mit einem „Wind- und Solardeckel“, der dafür sorgen sollte, dass der „Solarhorror“, so ein SPIEGEL-Titel, aufhört. Die Solarbranche ging bankrott und zehn verlorene Jahre ins Land – bis 2021.
In der Zwischenzeit formten die klimabewegten grünen NGOs in ihren „Thinktanks“ hunderte von jungen Menschen nach dem Grundsatz ihres Narrativs „all electric – efficiency first“, um „in gutem Glauben“ den Klimawandel zu bekämpfen. Der Druck, endlich wirklich zu dekarbonisieren, ist auf die sich immer schneller vollziehende Erderhitzung sowie die gefühlte Anhäufung von Extremwettern zurückzuführen. Aber eben auch darauf, dass das Thema Erneuerbare Energien als echte Zukunft der Energieversorgung im Mainstream angekommen ist.