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IRA - Klimawunderland USA?

Amerika könnte Europa mit dem Inflation Reduction Act (IRA) überholen

In Europa ist der Glaube verbreitet, dass entschiedene Klimapolitik gleichzeitig ein Wirtschaftswunder bewirkt. Man fühlt sich den Vereinigten Staaten klimapolitisch überlegen. Die USA hatten schließlich das Kyoto-Abkommen abgelehnt und waren unter Präsident Donald Trump 2020 aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Während Europa bei Militär oder im Digitalbereich die Führungsrolle der USA anerkennt, wähnt man sich bei Erneuerbaren Energien, bei Elektromobilität oder Wärmepumpen vorne zu liegen. Inzwischen aber beginnt man in Brüssel und den europäischen Hauptstädten zu verstehen, dass diese sicher geglaubte europäische Führung durch die Kräfte, die der Inflation Reduction Act (IRA) entfesselt, ernsthaft herausgefordert wird.

Klimapolitik, bis vor kurzem noch ein Stiefkind der amerikanischen Politik, rückt plötzlich ins Zentrum machtpolitischer und ökonomischer Interessen. Dabei ist die Begrenzung der Erderwärmung keineswegs das eigentliche Ziel der Amerikaner. Vielmehr geht es beim IRA um die Stärkung der amerikanischen Mittelklasse und die Reindustrialisierung. Und es geht um die nationale Sicherheit, die Stärke der USA in der Rivalität der Großmächte. Als Mittel dafür setzt Washington auf Klimapolitik und Klimatechnologie. In Europa wird genau andersherum gedacht: Die Klimapolitik ist das eigentliche Ziel und man hofft, damit auch ökonomisch nach vorn zu kommen.

Die Vereinigten Staaten stärken mit dem IRA ihre wirtschaftliche Macht und schicken sich gleichzeitig an, auch klimapolitisch die Nr. 1 in der Welt zu werden. Der IRA könnte einmal als eines der wichtigsten Gesetzespakete in die Geschichte des 21. Jahrhunderts eingehen.

Wie reagiert die EU auf diese Herausforderung? Können Green Deal oder der Net Zero Industrial Act Europa auf Augenhöhe halten – oder wird die „Alte Welt“ nun auch klimapolitisch „abgehängt“? Gibt es vielleicht sogar eine Chance, dass die laufenden Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington eine gemeinsame transatlantische Energie- und Klimapolitik hervorbringen? Vielleicht. Aus heutiger Sicht aber droht die Gefahr, dass der europäische Green Deal und die damit verbundenen Gesetze, Verordnungen und Subventionen in der EU und ihren Nationalstaaten nicht geeignet sind, mit der Entfesselung der wirtschaftlichen und klimapolitischen Kräfte in den USA mitzuhalten. Genauso problematisch ist aber, dass es von den europäischen Spitzenpolitikern nicht ausreichend gesehen oder kleingeredet wird.